
Meisterwerke oberrheinischer Glockengießkunst saniert
Alte Glocken im Geläut der Liebfrauenkirche in Waldshut erklingen wieder
Der Kaiserstuhl ist berühmt für seinen guten Wein. Hier ist alles vorhanden, was Weinreben für ein gedeihliches Wachstum brauchen: viel Sonne, ein freundliches Klima, sorgsame Pflege und ein nahrhafter Boden. Doch was Weinstöcke zur Entfaltung bringt, kann schlecht für ein Gebäude sein. Und so lässt der Lössboden des Kaiserstuhls zwar den Wein hervorragend wachsen, nicht aber die Kirche St. Petronilla in Endingen-Kiechlingsbergen sicher stehen. Seit ihrer Errichtung vor über 200 Jahren machte der poröse Untergrund der Kirche, dem Turm und der tragenden Friedhofsmauer zu schaffen. Als so viel Boden verrutscht war, dass sie allesamt einzustürzen drohten und gesperrt werden mussten, begannen 2017 umfangreiche Stabilisierungsarbeiten. Mitte 2020 konnten die Sanierungsarbeiten mit der Fertigstellung der Außenanlage und Außentreppe abgeschlossen werden. Nun sind zum ersten Mal in ihrer Geschichte Kirche und Friedhofsmauer standfest. Aber auch die unmittelbaren Anwohnerinnen und Anwohner, für die es seit vielen Jahren ein Evakuierungskonzept für den Notfall gab, können jetzt wieder beruhigt in ihren Häusern wohnen.
Der über 30 Meter hohe Turm und der Chor der Kirche waren 1814 auf künstlich aufgeschüttetem Löss errichtet worden. Dieser aber gab immer wieder nach, so dass bereits sieben Jahre nach dem Bau der Kirche erste große Risse in den Wänden des Mauerwerks auftraten. Und so waren die jetzigen Sanierungsarbeiten eine große Herausforderung, bei der selbst die erfahrenen Planerinnen und Planer nicht wussten, ob die Kirche zu retten sei. Zunächst wurde daher eine ausgeklügelte Messeinrichtung mit einem hoch sensiblen Alarmsystem installiert, das alle halbe Stunde Friedhofsmauer und Kirche kontrollierte. Bewegungen bis zu 5 Millimeter waren toleriert, bei 15 Millimetern hätten alle die dort Arbeitenden die Baustelle verlassen müssen und die Anwohnenden wären evakuiert worden.
Für die eigentliche Sanierung entwickelte ein hoch spezialisiertes Ingenieurbüro ein Konzept. Um Ausbrüche aus dem Mauerwerk zu verhindern, wurde in einem ersten Schritt die Nordseite der Kirchenmauer mit einem stabilen Drahtnetz überspannt und zusätzlich mit Stahlseilen verspannt. Bodennägel mit einer Länge von zwei bis sechs Metern sicherten das Drahtnetz an der Oberfläche der Mauer. Im Bereich der schadhaften Stützpfeiler wurde eine Spritzbetonschale verbaut, da der Denkmalschutz wollte, dass das Mauerwerk der Friedhofsmauer sichtbar bleibt. Im zweiten Bauabschnitt wurde ein sogenanntes Düsenstrahlverfahren angewandt, bei dem ein Bohrer bis zu zehn Meter tief in den Boden eindringt. Die so entstandenen Löcher werden mit Zement gefüllt. Mehr als 267 solcher Säulen stützen nun als künstliches Fundament den Untergrund von St. Petronilla.
Nach dem äußeren Erhalt der Kirche kam die Renovierung des denkmalgeschützten Inneren der Kirche dran. Der Architekt von St. Petronilla, Friedrich Arnold, kam aus dem Umkreis des großen badischen Klassizisten Friedrich Weinbrenner. In ihrem Inneren erhielt die Kirche 1928 mit einer neubarocken Raumgestaltung eine späthistorische Stilart, die zu dieser Zeit nicht mehr üblich war. Nach Erkenntnissen des Landesdenkmalamtes dokumentiert St. Petronilla deshalb mit ihrer schlichten klassizistischen Außenhülle und der neubarocken Innenausstattung eindrucksvoll den Wandel der Sakralarchitektur innerhalb einer Zeitspanne von nur wenig mehr als hundert Jahren.
Die Stiftung Breisgauer Katholischer Religionsfonds der Erzdiözese Freiburg förderte die aufwändigen Sicherungsarbeiten der Kirche und der sie tragenden Friedhofsmauer mit 250.000 Euro.
Bilder: Michael Kaltenbach