Historische Wurzeln von Konstanz-Petershausen wieder sichtbar
Grundriss der ehemaligen Klosterkirche Konstanz Petershausen als neuer Ort der Begegnung
Es ist eine musikalische Reise von der Dunkelheit ins Licht: das Opus magnum „The Veil of the Temple“ – Der Vorhang des Tempels – des englischen Komponisten John Tavener (1944 – 2013). Das Freiburger Chorfest bot die seltene Gelegenheit, es in voller Länge zu hören und zu erleben. Denn von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang soll es aufgeführt werden, außerdem verlangt der Komponist einen Raum, der das erlebbar macht. Und so kamen acht renommierte Freiburger Chöre sowie Solistinnen, Solisten und Instrumentalensembles in der Freiburger Martinskirche zusammen und erschufen einen klingenden sakralen Raum mit mystischen Momenten. Lichteffekte verstärkten dies – die Kirche erstrahlte im Laufe der Nacht in immer wärmeren und heller werdenden Farben. Acht Zyklen wurden im Laufe der Nacht aufgeführt, sie wurden immer länger und kletterten nach und nach die Tonleiter hoch. Im Zentrum der musikalischen Reise steht das Johannesevangelium, umrahmt von Texten des arabischen Dichters i Rûmi, vom Kyrie, von Psalmen, dem Vater unser, Seligpreisungen von Ephraim, dem Griechen, und, ganz wichtig, vom „Herr erbarme Dich“ aus der orthodoxen Kirche. Dies wird im ersten Zyklus einstimmig und zuletzt zwölfstimmig gesungen. Zum Schluss, draußen ist es mittlerweile hell, zerreißt der Vorhang im Tempel, die Texte werden österlich, die Sopranistin ruft „Ravouni (Rabuni)“, die Bässe singen auf Sanskirt „Das bin ich“, die Chöre vereinen sich im Hymnus „Om. Sink this universe in God“ – es ist Ostern.
Das Publikum kam mit Kissen, Liegestühlen, Decken und Matten. Eingewoben in einen Klangteppich war alles in dieser meditativen Nacht möglich: zuhören, einschlafen, kommen oder gehen. Das Konzert endete um 6 Uhr in der Frühe, danach gab es ein gemeinsames Frühstück.
Aufgrund der enormen Dimensionen von Partitur und Besetzung kam das Werk bisher nur selten in Gänze zur Aufführung. Der künstlerische Leiter Bernhard Schmidt wagte es nun beim „Chorfest der Kulturen“. Bei diesem jährlichen Fest verwandeln über 1.000 Chorsängerinnen und -sänger in rund 50 Chören die Altstadt von Freiburg drei Tage lang in einen einzigartigen Soundteppich aus Pop, Jazz und Swing sowie Madrigalen, Kirchenmusik und klassischen Vokalstücken. Das Festival konnte nach zweijähriger Coronapause erstmals wieder stattfinden.
Die Erzbischof Hermann Stiftung förderte die Aufführung von „The Veil of the Temple“.
Bilder: Klaus Polkowski