Gott nahe kommen durch geistliche Musik
Menschen „mit Frömmigkeit erfüllen“, das war in den Augen von Martin Gerbert, Fürstabt von St. Blasien (1720 – 1793) im Hochschwarzwald, Ziel und Aufgabe von geistlicher Musik. Sie sollte mehr als nur ein „verführerischer Lockreiz der Ohren“ sein, sondern Gott den Menschen nahe bringen. Martin Gerbert gilt als Begründer der modernen, historisch orientierten Musikforschung und Repräsentant des frühneuzeitlichen gelehrten Benediktinertums. Zwei Kompositionen aus seiner Feder sind nun in einer kritischen Edition erschienen und liefern einen wichtigen Beitrag zur kirchenmusikalischen Aufführungspraxis.
Die beiden Musikprofessoren Christian Berger und Florian Vogt haben die „24 Offertoria solennia in Festis Domini“ aus dem Jahr 1747 und die „Missa in Coena Domini“ aus dem Jahr 1774 neu überarbeitet. Die beiden Stücke wurden anfangs nur durch Vorspielen oder -singen überliefert und erst später aufgeschrieben. Die neue Ausgabe ist im Frühjahr 2022 in der Reihe „Denkmäler der Musik in Baden-Württemberg“ erschienen. Die virtuosen 24 Offertorien sind ein bedeutendes Zeugnis der benediktinischen Kirchenmusik. Als Offertorium bezeichnet man den liturgischen Gesang zur Gabenbereitung bei der heiligen Messe. Die „Missa in Coena Domini“ bezieht sich auf die Enzyklika Papst Benedicts XVI. von 1749, durch die der Papst den Missbrauch der Kirchenmusik unterbinden wollte. Dieses Werk sollte mit seinen zwei Chören, die nur von der Orgel begleitet werden, Vorbild für eine musikalische Messe sein.
Martin Gerbert wurde 1764 Fürstabt von St. Blasien. Unter seiner Regentschaft entwickelte sich das Kloster zu einem bedeutenden kulturellen, wissenschaftlichen und machtpolitischen Zentrum. Er widmete sich intensiv der Geschichte des Kirchengesangs im Mittelalter. In seiner letzten Schrift „Scriptores ecclesiastici de musica sacrea potissimum“ umfasste er die wesentlichen musiktheoretischen Werke vom 3. Jahrhundert bis zum Ausgang des Mittelalters und leistete damit einen bedeutenden Beitrag für die mittelalterliche Musikgeschichte.
Den Band „Musikalische Werke Martin Gerberts“ förderte die Erzbischof Hermann Stiftung in der Reihe „Denkmäler der Musik in Baden-Württemberg“.
Bild: Klaus Polkowski